08 April, 2010

Sex sells in Science

Lange vorbei die Zeiten, als Wissenschaft hieß, dass grauhaarige gebeugte Gestalten mit fahlen Gesichtern in verstaubten Laboren das Liebesleben der Nacktschnecken erforschen.
"Science is emotion in extraction" könnte man heute werbedichten.
Dazu passt die folgende Pressemitteilung, mit der die altehrwürdige Ludwig-Maximilian-Universität gestern ihre Besucher auf ihrem Internetauftritt schockt:

Kluge Köpfe kommen öfter:
Die Statistik und der weibliche Orgasmus
Frauen kommen nicht häufiger zum Orgasmus, wenn ihre Partner wohlhabend sind. Zu diesem Schluss kommen die LMU-Forscher Professor Torsten Hothorn und seine Mitarbeiterin Esther Herberich - und widerlegen damit eine Studie, die letztes Jahr für Furore sorgte. Die statistische Auswertung einer Befragung von mehr als 1.500 Chinesinnen durch britische und niederländische Forscher schien damals den Schluss nahezulegen, dass die Partnerinnen reicher Männer häufiger einen Orgasmus haben. Erst als Hothorn und Herberich die Originaldaten zu Lehrzwecken erneut auswerteten, zeigte sich, dass dieses Ergebnis nicht auf einem wirklichen Zusammenhang, sondern nur auf einem Fehler in dem verwendeten Statistikprogramm beruhte.
"Unsere Analyse hat gezeigt, dass in erster Linie der Bildungsstand der Frauen, aber auch ihr Gesundheitszustand und ihr Alter für die Anzahl der Orgasmen verantwortlich sind", berichtet Herberich. Diese Ergebnisse haben die LMU-Forscher nun zusammen mit den Autoren der Originalpublikation veröffentlicht. "Die Ausgangsstudie basiert auf öffentlich zugänglichen Daten", sagt Hothorn. "Das erhöht ihren wissenschaftlichen Wert ungemein, weil unabhängige Forscher nur so die Ergebnisse überprüfen und bestätigen können - oder eben auch widerlegen." (Evolution and Human Behavior online, März 2010)
Erfreulich, wenn Wissenschaftler eingängige Wahrheiten durch noch eingängigere ersetzen können. Hätte man doch als Eleve des kapitalistischen Lebensmodells der ersten Studie und ihrer Hypothese vom (erfolg-)reichen Sexualpartner gerne glauben geschenkt.

Diese Meldung ging um die Welt: Chinesische Frauen erleben mit wohlhabenden Partnern mehr sexuelle Höhepunkte. Thomas V. Pollet von der niederländischen Universität Groningen und Daniel Nettle von der Newcastle University in Großbritannien hatten dafür die Daten von 1.534 Chinesinnen ausgewertet, die in der Studie "Chinese Health and Family Life Survey" (CHFLS) ausführlich über ihr persönliches Leben Bericht erstattet hatten. Die Ergebnisse seien auch auf westliche Länder übertragbar, folgerten die Wissenschaftler und lieferten gleich eine biologische Erklärung für das kontrovers diskutierte Ergebnis: Manchen Evolutionstheorien zufolge zeige der weibliche Orgasmus an, dass eine Frau einen guten Partner gefunden habe - und ein hohes Einkommen mache schließlich begehrenswert und attraktiv.
Doch leider kippen Hothorn und Herberich diese These und bieten eine neue, nicht weniger pikante.
"Als wir dann das statistisch angemessene Modell betrachteten, ergab sich ein völlig anderes Bild: Die Orgasmushäufigkeit der Frauen hängt am stärksten mit ihrem Bildungsniveau, aber auch mit ihrem Gesundheitszustand und dem Alter zusammen. Jüngere und gesündere Frauen berichteten über häufigere sexuelle Höhepunkte als ältere und wenig gesunde," berichtet Herberich.
Tja, fällt mir dazu nur ein. Dass "Jüngere und gesündere Frauen häufigere sexuelle Höhepunkte als ältere und wenig gesunde" haben, kann eigentlich nur in Hinblick auf die aktuelle demoskopische Entwicklung in Deutschland erstaunen. Aber schließlich wurden ja nur Frauen in China gefragt.

Bleibt noch die Frage nach der Ursache für die häufigeren Orgasmen bei gebildeten Frauen. Ob das Ergebnis der Studie in Zusammenhang steht mit der daneben beworbenen "Excellenzinitiative" der Ludwig-Maximilian-Universität, können wahrscheinlich nur andere, noch nicht gefragte Wissenschaftler herausfinden...

Drum lerne: Glaube keiner Studie, die Du nicht selber gefälscht hast.