11 August, 2009

Hurra! Die Krise macht uns reich! Oder doch nicht???

Da gibt es ein Amt in Deutschland, das soll uns allen - und vor allem den "Entscheidern" - helfen zu verstehen, in welcher verrückten Welt wir leben: Das Statistische Bundesamt Deutschland! Eine segensreiche Einrichtung ist das, wenn, ja wenn man nicht zu faul oder zu blöd wäre, den Zahlensalat zu verstehen, der dort produziert wird.

Aber zum Glück gibt es ja die Zunft der Journalisten, die uns diese Aufgabe abnimmt. Klug und bedachtsam sammeln sie anfallende Informationen und ordnen sie nach Sinn und Gewicht, dass uns das Verstehen nicht zu schwer falle.

Weil aber Journalisten viel zu tun haben mit dem Erklären der Welt, brauchen sie etwas Unterstützung dabei. Die wiederum gibt ihnen in diesem Falle das Statistische Bundesamt in Form einer Pressemitteilung. In selbiger unter der Nummer Nr.295 vom 11.08.2009 titelt also das besagte Amt:

Verbraucherpreise Juli 2009: - 0,5% zum Juli 2008

und schreibt anschließend:

"Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, ist der Verbraucherpreisindex für Deutschland im Juli 2009 gegenüber Juli 2008 um 0,5 % gesunken. Eine so niedrige Inflationsrate wurde in der Bundesrepublik seit der Wiedervereinigung noch nicht berechnet, im früheren Bundesgebiet zuletzt im Frühjahr 1987."

Das ist doch mal eine gute Nachricht, denkt sich der verkäuferisch geschulte Journalist und spart es sich weiter zu lesen - und zu denken! Dabei - und das weiß eigentlich jeder Journalist, sind Pressemitteilungen eben genau dazu gedacht: Dem Journalisten das Denken abzunehmen.

Flux wird aus den Zeilen ein Aufmacher gestrickt, der sich dann so liest wie nachstehend zitierte Zeilen bei SPIEGEL online:

"Verbraucherpreise sinken erstmals seit 22 Jahren

Deutschland erlebt den ersten Preisrückgang seit 1987: Die Verbraucherpreise sind im Juli bundesweit um 0,5 Prozent gefallen - besonders Heizöl und Kraftstoffe haben sich im Vergleich zum Vorjahr stark verbilligt. Immerhin ist das Minus etwas geringer als erste Schätzungen vermuten ließen.[...]"
(http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,641654,00.html)

Klingt gut - ist auch soweit nicht gelogen, denn das steht in etwa in der Pressemitteilung drin. Ist aber trotzdem falsch.

Hätte der eifrige (oder doch faule) Journalist nämlich weitergelesen, so hätte er auf folgender Seite des Bundesamtes "Preise" folgenden Satz gelesen:
"Lesen Sie im aktuellen STATmagazin-Beitrag, auf welche Faktoren die niedrigen Inflationsraten zurückzuführen sind. "

Wäre er diesem Satz nachgegangen, hätte er dort sehr erhellende und einfache Erklärungen bekommen, warum der Aufmacher "Verbraucherpreise sinken erstmals seit 22 Jahren" himmelschreiender Quatsch sind.

Das liest sich dann in etwa so:
"Preise ohne Energie stabil
...
Ein Blick auf die aktuellen Zahlen zeigt, dass gegenwärtig keine Preissenkungen auf breiter Front stattfinden. Zwar erreichte die Inflationsrate mit null Prozent den niedrigsten Stand seit 22 Jahren, sie ist derzeit aber im Wesentlichen wegen der stark gesunkenen Energiepreise niedrig. Bei der Betrachtung der Verbraucherpreisentwicklung ohne Energie zeigt sich im Durchschnitt eine relativ stabile Preisentwicklung mit moderaten Steigerungsraten. Seit Januar 2008 lag die jährliche Veränderung der Verbraucherpreise ohne Energie zwischen 2,3 und 1,1%, wobei tendenziell ein leichter Abwärtstrend zu beobachten ist.

Zudem sind die negativen Veränderungsraten im Bereich der Energiepreise möglicherweise nicht anhaltend, sondern nur temporär. Die Teuerungsraten werden durch den Vergleich des aktuellen Preisniveaus mit dem Vorjahresniveau errechnet. Derzeit liegt das Energiepreisniveau deutlich niedriger als während des Energiepreisbooms vor einem Jahr. Der Vorjahresvergleich führt daher zu negativen Veränderungsraten. "

Was soll das also heißen? Ganzu einfach: Weil im vergangenen Jahr genau um diese Zeit eine riesige Spekulationsblase den Rohölpreis auf über 140 Dollar pro Barrel pushte, haben wir im Vergleich dazu dieses Jahr natürlich einen extrem sinkenden Wert - ich betone: im Vergleich zum Vorjahr!!

Weiter schreibt das Statistische Bundesamt:
"Unter der Voraussetzung, dass die Energiepreise nicht zurückgehen, ist wegen des Endes des Ölpreisbooms im Herbst 2008 spätestens ab Ende 2009 nicht mehr mit negativen Veränderungsraten bei den Energiepreisen zu rechnen. In diesem Fall bildet sich der stark dämpfende Einfluss der Energiepreise auf die Inflationsrate in den nächsten Monaten nach und nach zurück. Somit zeigt die aktuelle Datenlage keinen Trend, der auf einen anhaltenden Preisverfall bei den Energieträgern hindeutet."

Und jetzt nochmal für alle Journalisten, Faulen und Doofen: Der statistische Energiepreis fällt im Vergleich massiv zum Vorjahr, damit fällt der allgemeine Verbraucherindex und schwupp: Die Krise macht uns reich! Trotzdem haben wir jeden Monat weniger Geld im Portemonaie als vorigen Monat.

Fazit
Wenn Statistiken schon die Realität verfälschen, sollten Journalisten das nicht auch noch unterstützen.