13 August, 2009

Na also: Deutsche Wirtschaft wächst wieder - nach unten!!

Die Erfolgsmeldungen aus den Geheimarchiven der Statistiker reißen nicht ab. Und alle Medien beeilen sich, möglichst schnell und ungefiltert nachzubeten.

Die Deutsche Welle - eine seriöse, weltweit informierende Nachrichtenquelle - übermittelt uns die neuesten Meldungen aus der deutschen Erfolgsrepublik:
"Die schwerste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik ist zu Ende. Die deutsche Wirtschaft legte im zweiten Quartal überraschend um 0,3 Prozent zu - im Vergleich zum ersten Vierteljahr 2009."
http://www.dw-world.de/dw/article/0,,4561535,00.html

Jubel! Bravo! Dacapo!

Schnell also rübergewechselt auf die Seite des Statistischen Bundesamtes Deutschland.
Und tatsächlich. Deutsche Beamtenprosa erwärmt mir das Herz:
"Die deutsche Wirtschaft ist nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im zweiten Quartal 2009 erstmals seit dem ersten Quartal 2008 wieder leicht gewachsen. Um 0,3% war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) - preis-, saison- und kalenderbereinigt - im zweiten Vierteljahr 2009 höher als im Vorquartal."

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/2009/08/PD09__298__811.psml

Das sind doch schöne Nachrichten. Ich kann verstehen, dass jeder eifrige (und auch jeder nicht so eifrige) Journalist gierig nach solchen Meldungen greift. Aber waren wir nicht das vergangene Quartal in einer starken Rezession. Und heißt das nicht, dass die Wirtschaft sich in einer steilen Talfahrt befindet? Und ist damit ein - moderates - Wachstum (dessen Ursachen wir noch zu hinterfragen hätten) allenfalls eine Abflachung der Talfahrt?
Viele Fragen, die nach Antworten dürsten.

Aber was muss ich da lesen:
"Im Vergleich zum zweiten Quartal 2008 ging das preisbereinigte BIP um 7,1% zurück. Kalenderbereinigt war die Wirtschaftsleistung um 5,9% niedriger als vor einem Jahr, weil im Berichtsquartal drei Arbeitstage weniger zur Verfügung standen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres."
O weh! Schrumpfung, Rückgang, Rezession! Ich ahne schreckliches!
Ziehe ich also von 5,9% die 0,3% ab, errechne ich noch 5,6% Rückgang des BIP. Das klingt nicht so gut, das kann wohl nicht stimmen. Da rufe ich mir lieber das Hohe Lied der Deutschen Welle ins Gedächtnis:
"Die schwerste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik ist zu Ende."
Ahh, gut. Das ist schon besser.

Nur gut, dass diesem Quartal drei Arbeitstage der Untätigkeit fehlten. Nicht auszudenken, wenn es drei oder mehr Arbeitstage dazubekommen hätte. Die Ausmaße der Rezession wären noch viel größer ausgefallen. Jeder gearbeitete Tag hätte die Rezession angeheizt.
Da freut man sich doch auf seinen Urlaub!

Ich lese also entspannt weiter in der Pressemeldung des Statistischen Bundesamtes:

"Neben der Erstberechnung des zweiten Quartals wurden zu diesem Termin - wie jedes Jahr im August - auch die bisher veröffentlichten Ergebnisse der letzten vier Jahre (ab 2005) überarbeitet. Diese laufenden Revisionen werden routinemäßig durchgeführt, um neu verfügbare statistische Informationen in die Berechnungen einzubeziehen. Die Berechnung des BIP wird damit sukzessive auf eine statistisch immer besser fundierte Datenbasis gestellt.

Die aktuelle Neuberechnung ergab Veränderungsraten des jährlichen und vierteljährlichen BIP (Ursprungswerte), die um bis zu 0,3 Prozentpunkte von den bisher veröffentlichten Ergebnissen abweichen. Die Veränderungsraten der saison- und kalenderbereinigten Quartalsergebnisse wurden ebenfalls um bis zu 0,3 Prozentpunkte revidiert."
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/2009/08/PD09__298__811.psml

Nanu? Verstehe ich richtig?
Haben die Statistiker da gerade gesagt, dass sie die Berechnungen der letzten Quartale verändert haben? Schnell ein Blick auf die Tabellen und siehe da:

Das Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt, wurde im ersten Quartal um 0,3% ins positive korrigiert. Da war wohl noch Geld in einer Schublade aufgetaucht, das jetzt nachträglich eingerechnet werden kann. Schade eigentlich, denn sonst hätte die Deutsche Welle jubeln können, dass das BIP um 0,6% gestiegen sei.

Schade auch, dass das deutsche BIP immernoch 6,5% unter dem Vorjahresniveau liegt.
Aber davon werden wir uns doch die Feierstimmung nicht verderben lassen...Gell, Deutsche Welle?!?