28 August, 2009

Steuerdiskussion

Zu den anstehenden Bundestagswahlen haben alle Parteien natürlich wieder Steuersenkungen versprochen, die sie natürlich nicht umsetzen werden (können), wenn sie weiterhin ihre jeweiligen Wählergruppen entsprechend deren Treue finanziell bevorzugen wollen. Also wird die Gesamtbelastung aus Steuern und Sozialabgaben weiterhin bei über 53,3 Prozent des durchschnittlichen Einkommens liegen, wie der Bund der Steuerzahler eindrücklich nachrechnet.

Dazu habe ich ein Zitat gefunden von einem, der es eigentlich wissen muss: Friedrich II von Preussen (1712 - 1786). Als der aufgeklärte Herrscher hatte er alle Möglichkeiten, den Staat und (was neben der Ordnung die wichtigste Aufgabe ist) dessen Finanzierung zu regeln, wie es ihm während seiner 46-jährigen Regentschaft behagte. Da er aber - seinen Tugenden folgend - sehr nüchtern mit dieser Problematik umging, formuliert er in seinem "politischen Testament" 1768 folgende Worte:
"Hier zeigt sich noch eine große Frage: muß man in Bezug auf die Steuern das Wohl des Staates oder das Wohl des Einzelnen vorziehen, oder welche Partei soll man nehmen? Ich antworte: daß der Staat aus Einzelnen zusammengesetzt ist und es nur ein einziges Wohl gibt für den Souverän und seine Untertanen. Die Hirten scheren ihre Schafe, aber die ziehen ihnen nicht die Haut ab. Es ist gerecht, das jeder Einzelne dazu beiträgt, die Ausgaben des Staates tragen zu helfen, aber es ist gar nicht gerecht, daß er die Hälfte seines jährlichen Einkommens mit dem Souverän teilt."
(nach: Politisches Testament Friedrichs des Großen (1768), Böhlau-Verlag, 1981)

Nun, mit 53,3 % schrammen die heutigen "Souveräne" ja immer knapp um die Hälfte herum. Aber ist denn ein derart hoher Anteil an öffentlichen Belastungen nötig? Nein, ist er nicht, wenn... ja, wenn der Einzelne seine Rolle im Ganzen entsprechend versteht und definiert.

An dieser Stelle darüber zu sinieren, welche Aufgaben der Staat hat und wie er sie bewältigen soll, halte ich für den falschen Ansatz. Dieser Ansatz fixiert die Vorstellung, dass der Staat entweder, für die Einen, ein Dienstleister sei, um dem autonomen Individuum unangenehme und lästige Arbeiten abzunehmen, oder, für den anderen Teil der präformal denkenden Menschen, eine paternalistische Universalmacht, die aus ihrer reinen Existenz heraus den Auftrag zu Übernahme der Aufgaben ableite. Beide Überlegungen bewegen sich auf Augenhöhe mit Schnecken und anderem Gekriech, denn sie verkennen das Funktionsprinzip des Staates.
Der aufgeklärte Staat (und nur der sei hier zu verhandeln, denn sowohl Monarchien, Diktaturen oder andere gottes- und obrigkeitsfürchtige Gesellschaftskonstrukte sind historisch getestet und als untauglich verworfen) ist als ein Organismus anzusehen, der, wie jeder andere Organismus auch, nur funktionieren kann, wenn die einzelnen Teile ihre Aufgaben übernehmen und ausführen.

Jetzt mag einer kritisieren, dass meine Vorstellung des Staates als Organismus etwas esotherisch sei und einer Begründung ermangele. Mitnichten! Jede Organisationsform (man beachte die etymologische Verbindung von Organisation und Organismus), die aus sich heraus oder aus der Notwendigkeit der Umstände entsteht, entwickelt einen "Organismus". Und ein Staat entsteht nie aus dem logischen Willen einer Gruppe von Menschen sondern aus der Notwendigkeit, erst in der Gruppe (bei einer gewissen Komplexität) entstehende
Probleme zu verstehen und zu organisieren.

Der aufgeklärte Staat entsteht also durch das organische Zusammenwirken seiner Bürger. Jeder Bürger (und nur um den geht es an dieser Stelle) ist also gleichzeitig Individuum, gemäß seiner tierischen Natur, und Gesellschaftswesen im Rahmen seiner Teilhabe am staatlichen Organismus.

Wir müssen also den Staat immer von seinen Bürgern her denken, um zu verstehen, wieweit er auf sie Einfluss, etwa in Form von Steuern, nehmen darf.

Wie so ein Staat organisiert sein muss, will ich in späteren Kapiteln aufzuzeigen versuchen. Soviel sei aber an dieser Stelle schon gesagt: Mit Steuern allein kann kein Staat seine Aufgaben erfüllen, ganz gleich, wie hoch sie auch ausfallen mögen. Das zeigt ja schon die Ohnmacht der derzeitigen Herrscher.