30 April, 2009

Erdbeeren in den Haaren, Kirschen unterm Schrank

Als ich klein war, ermahnten staatliche Stellen die besorgten Mütter und Väter, Reinigungsmittel nur immer gut weg zu sperren, damit der Nachwuchs sich die giftigen Flüssigkeiten nicht unbedacht hinter die Binde gießen konnte, um daran jämmerlich zu krepieren. Später dann kamen die Kindersicherungsverschlüsse, und es war nichts mehr zu hören von der Gefahr im Küchenschrank.

Und heute? Kindersicherungsverschlüsse sucht man vergeblich, die Wohnung riecht hingegen nach einem samstäglichen Hausputz wie ein Obststand auf dem Wochenmarkt. Verlockende Gerüche umschmeicheln die Nase, vorbei der beissende Geruch von Salmiak und Essigdunst.

Mein derzeitiger Hausreiniger lockt mit blutroter Farbe und dem Geruch nach "wildcherry" eher dazu, sich ein Cocktail zu mischen als den Boden unterm Schrank zu schrubben. Der Toilettenreiniger in frischem zitronengelb verbreitet den Geruch von "lemon-fresh", wie die Marketing-Lyrik verspricht.

Olfaktoristen - immer der Nase nach

Nicht weniger "blumig" geben sich die Essenzen, mit denen ich meinen Körper für den täglichen Nahkampf balsamiere: Das Shampoo verspricht meine Haare mit Joghurt und Cranberrys zu benetzten, riecht aber eher nach einer Großladung Erdbeeren. Der Weichspüler sit voll Avocado-Öl und Pfirsich, das Duschgel mit Hibiskus befüllt. So tut sich also allmorgentlich in meinem Bad ein Garten der (Ge-)Lüste auf, alldieweil ich unter der Dusche stehe und verzweifelt die Müdigkeit zu verscheuchen versuche.

Habe ich endlich das Frühstück auf den Tisch geschleppt, betören die gleichen Gerüche meine Nase: Cranberry aus dem Joghurt, "wildcherry"- im Müsli, "strawberry" im Energydrink, Avocado-Öl im Brotaufstrich. Ich bin oft nicht sicher, ob ich scho beim Frühstück oder noch im Bad bin.

Wer auch immer diese künstlichen Duftorgien in die Reinigungsindustrie trug, war offensichtlich angetreten, die letzten Bindungen der Menschen zur Natur zu lösen. Reinigungsmittel, entwickelt, um alles Natürliche (Schmutz, Bakterien, Keime und alles andere, was sich bewegt) auszumerzen, ersetzen jetzt sogar die (für unsere Empfindung) schönen Teile der Natur.

Dabei sind die wahren Gerüche der Natur (wie wir alle wissen) meist gar nicht so einfach zu erkennen. Aber vielleicht war genau das der Auslöser für die Olfaktoristen, endlich Klarheit in die Welt zu bringen, in jenen Teil, der uns Menschen am unklarsten erscheinen möchte.

Wenn dieser Feldzug vollendet ist, werden wir auf hygienisch sauberen Stahlmöbeln in klinisch reinen Wohnungen sitzen und den Verlust unserer Kinder beklagen, die nach einem großen Schluck aus dem Allzweckreiniger ihr Leben mit einem blumigen Hauch hingaben.

Damals, als ich klein war, roch die Welt vielleicht nicht so gut, aber ich konnte immer unterscheiden, wann zuhause geputzt wurde und wann der Frühling kam.

22 April, 2009

Kinderpornographie clean

Kinderpornografie, hmm, ich weiß nicht, was das ist, klingt aber richtig schmutzig. Wenn ich den amtlichen Mitteilungen der politischen Nomenklatura glauben schenken darf (und das darf man NIE!), dann ist das böse! böse! BÖSE!
Und das Internet ist voll davon, richtig voll.

Überall lauern hinterhältige Webseiten auf den unbedarften Surver, um ihn anzuspringen und sein Gehirn zu überschwemmen mit diesen ekelhaften, bösen, bösen Dingen (Warum muss ich eigentlich gerade dauernd an Politikerreden denken?).
Oder nein. Eigentlich ist es ja andersherum. Das Internet ist so eine Art Schmuddelecke, ähnlich wie diese müllversauten Straßen rund um den Bahnhof, in der sich überall zwielichtige Typen herumtreiben und kleine Mädchen anquatschen, die dort doch nur fröhlich Ball spielen wollen.

Oder ist es vielleicht doch anders...?

Äh, wo war ich? Ach ja. Überall im Internet sind also diese Dings-Seiten mit diesen Dings-Bildern, die keiner sehen will. Naja, ein paar wollen das schon, aber die sind ja genau das Problem. Denn das anschauen von solchen Bildern ist eigentlich nicht mal verboten, genaugenommen auch nicht der Besitz. Verboten ist, laut § 184b, Abs I, wer solche Schriften (vulgo Bilder) unter anderem "...herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist,...", na, und noch so einiges mehr. Was heißt also eigentlich in diesem Zusammenhang "bezieht" und "vorrätig hält" bei einem Internet-PC? Aber egal.

Da ist also so ein 14-jähriges Mädchen, das sich auf irgendwelchen Fotos auszieht. Und da gibt es Typen, die darauf stehen, sich so etwas anzuschauen. Ist echt voll eklig - so'ne Sau! Der muss ja voll krank sein. Ich meine, wenn einer ein bisschen normal ist, fährt der doch auf die Oma von seinem Freund ab. (Ich schreibe hier natürlich extra erst ab 14 Jahren, denn ich will ja bei der allgemeinen Hetzjagd nicht auch zufällig im Netz landen. Denn mit dem 14. Lebensjahr sind Jugendliche - rein rechtlich (laut § 176 StGB) - ja keine Kinder mehr. Und mithin können sie sich ausziehen, wie und wo sie wollen (naja).)
Also dass soll das Mädchen mal schön lassen, soll mal lieber Ballspielen gehen auf der Straße. Denn Sport ist gesund. Das machen die Erwachsenen ja auch dauernd, zumindest vor dem Fernseher. Und die Kinder bringt der Klapperstorch. Oder die Nichte von meinem Freund.

Denn erst kürzlich wurde die Nichte meines Freundes glückliche Mutter - einen Monat nach ihrem 13ten Geburtstag! Der Vater war immerhin zwei Monate älter. Kann man sich ausrechnen, wann die beiden praktischen Biologieunterricht gemacht hatten. Können beide eigentlich von Glück reden, dass sie nur bedingt straffähig waren...


Fräuleinwunder und der letzte Dreck

Aber zurück zum Thema: Frau von der Leyen, diese Fusion aus Fräuleinwunder und Mutterkreuz muss noch einmal schnell einen PR-Coup landen, damit sie sich für die kommende Legislaturperiode einen Platz in der vorderen Reihe im Bundestag reservieren kann. Gleich neben Ihrem Seelenfreund Schäuble. Der gehört ja schließlich auch zu ihren Kunden, weil das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wo Frau von der Leyen doch die Vorstandsdame ist, sich auch für Menschen mit Behinderungen einsetzt. Vielleicht unter Frau von der Leyen nicht so intensiv wie für gequälte Kinder - übrigens auch nicht für Frauen (besonders Alleinstehende), Senioren (dabei ist das in "Old Germany" bald die größte Wählergruppe) und Jugendliche (ach ja, die sind ja beim Ballspielen am Bahnhof - mit ihrer Softgun!).

Also hat Frau von der Leyen die Kinderporno-Industrie für sich entdeckt. Ist ja auch einfach. In Zeiten wie diesen ist es immer gut, wenn man einen hat, auf den man runterschauen kann. Und keiner ist noch weiter unten in der Werteskala als Pädophile. Die sind sogar im Knast zwischen Mördern und Vergewaltigern der letzte Dreck.

Da machen alle anderen später gerne mit, wenn die Sau durch Dorf getrieben wird. Spiessbürger, Gutmenschen, Reichsdeutsche - sogar Liberale sollten sich für diesen Spass nicht zu gut sein.

Nur schade, dass es nicht genug Pädophile für jeden gibt. Genau genommen gibt es wahrscheinlich überhaupt nur wenige hier in Deutschland - also muss man sie medial mal so richtig aufschäumen.


Mediale Winde

Und das ist auch ganz einfach. Der Schäuble hat's doch mit der Vorratsdatenspeicherung vorgemacht: Man werfe einen möglichst ekligen Happen in die Meute aus Politikern, Journalisten, Gewohnheits-Hysterikern, Ich-habe-auch-eine-Meinung-Schreiern, Gutmenschen, Rechtwahrern und Linksabbiegern. Während die sich um den Happen raufen und den nötigen medialen Wind machen, kann man dann in Ruhe seine Interessen durchsetzen und sich dabei auch noch als "besonnenen Wahrer von Recht und Freiheit" generieren.

In diesem Industriezweig sollen "Millionen Euro" umgesetzt werden, weiß Mutter Leyen (Woher weiß sie das eigentlich?). Ein schwunghafter gewerblicher Handel mit diesen schmutzigen Bildern soll es geben (Woher weiß sie das eigentlich??). Das Bundeskriminalamt soll ihr da das Eine oder Andere verraten haben (Woher wissen die das eigentlich???).

Nur blöd, dass Leute, die auch viel damit zu tun haben, ganz anderer Meinung sind.
Aber egal.

Eigentlich geht es ja auch gar nicht um die ollen Pädophilen. Die könnte man ja in mühsamer Kleinarbeit mal besuchen, zusammen einen Kaffee trinken und ihnen erklären, dass das echt Schweinkram ist, was sie da machen und das sie das doch mal besser lassen sollten.

Und es geht auch nicht um die "Millionen", die von miesen geldgierigen schmutzigen Kinderpornoherstellern verdient werden. Die liessen sich viel schneller und leichter aus dem Netz verjagen.
http://www.carechild.de/news/politik/internetzensur_carechild_versuch_blamiert_deutsche_politiker_566_1.html

Es geht um ganz was anderes, nämlich die...

Deutungshoheit im Internet

Also soll in Zukunft das Internet gefiltert - vulgo zensiert - werden. Denn auch wenn Mutter Leyen denkt, es ginge ihr um den bösen Schmutzkram da im Internet, geht es ihr um die Deutungshoheit der Informationen im Internet. Und ihren Geburtshelfern vom BKA geht es erst Recht darum.

Also: Es geht vielmehr um einen Generalschlüssen gegen jeden missliebigen Anderdenkenden. Denn was ist einfacher, als jemanden einfach mundtot zu machen. Das hat bisher jede Diktatur so gemacht - und von Diktatoren lernen heißt Siegen lernen! Ein gutes Beispiel sind unsere Freunde in China - da funktioniert das ganz hervorragend.

Jetzt sei Schluss, jetzt will Mutter Leyen - nein, eigentlich das BKA und sein Dienstherr, das Bundesinnenministerium - bestimmen, wer in Zukunft was sagen darf. So war das schon immer. Der Herr im Haus bestimmt, was richtig und was falsch ist. Oder: Wessen Brot ich ess', dessen Lied ich sing'.


Aber egal

Mutter Leyen kennt sich da anscheinend besonders gut aus. In einem Interview (oder sollte man besser Bekannmachung sagen?) mit der bekanntermaßen kritischen FAZ bringt sie ihre Sicht der Redefreiheit auf den Punkt:

"Die Freiheit der Kommunikation, die im Übrigen grundrechtlich durch unsere Sperrungen nicht berührt wird, kann kein höheres Gut sein als die Würde eines Menschen und die Unverletzlichkeit eines Kindes. "
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Interview/2009/03/2009-03-23-von-der-leyen-faz.html

Ganz klar: Lebe in Würde, aber halt den Mund! - Diesen Begriff von "Würde" muss mir nochmal jemand erklären.

Aber ich bin ja auch nicht so versiert in diesen Dingen wie Mutter Leyen. Wie auch bei der Einnahme von Drogen. Da lese ich doch über den Zugang zu Kinderpornobildern: "Durch massenhafte Verbreitung von Spam-Mails, also Lockmitteln, versuchen sie die potentiellen Kunden neugierig zu machen. Das ist wie bei einer Droge: Sie werden angefixt. Dann kommt der Hunger nach mehr."
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Interview/2009/03/2009-03-23-von-der-leyen-faz.html

Mein Gott Allmächtiger. Danke, dass du mich vor diesen massenhaften Drogen bewahrt hast.
Da habe ich diese Mails immer sofort gelöscht, weil sie einfach nervig sind. Und jetzt erfahre ich, dass ich damit nur knapp dem Fixerschicksal entgangen bin (womit wir wieder bei der schmutzigen Straße hinter dem Bahnhof sind, jaja).

Und zu meinem Erstaunen erfahre ich auch, dass ich wohl, wie jeder andere Mensch, von Kinderpornos abhängig werden kann. Ich dachte bisher immer, die Vorliebe zu diesen Bildern sei eine sonderbare Veranlagung so wie der der Hang zu blonden Haaren und großen Busen.

Das ist ja ganz erstaunlich, was die Mutter Leyen und der nette Onkel vom BKA alles weiß. Ganz nebenbei: Das BKA scheint sich in diesen Dingen ja gut auszukennen.
Aber egal.

Liest man im Internet die - derzeit noch erreichbaren - Webseiten wie Heise.de oder ccc.de und der Verlautbarung des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dann erfährt man, dass eine Umgehung der geplanten Sperren das einfachste der Welt sei und für Interessenten kein Hindernis darstelle (womit wir wieder bei den Fixern, Kleinkriminellen und der schmutzigen Straße hinter dem Bahnhof sind, ich sags ja!). Ich verstehe zwar nicht, warum dafür dann das Grundgesetz gebrochen werden muss, brauche ich aber auch nicht.


Gerendert, Geshadet und Gepixelt

Ich habe deshalb einen anderen, ganz legalen Vorschlag, den "Sumpf der Kriminalität" trocken zu legen. Gebt den Pädophilen doch einfach, was sie brauchen! So eine Art "Kinderpornographie clean".

Wer jetzt denkt, ich sei ein Ex-Junkie, der jetzt auf Methadon ist, irrt. Ich bin nur ein technikgläubiger Computernarr und weiß um die Schönheit computergrafisch generierter Bilder. Der geneigte Leser kennt bestimmt Nvidia. Das sind die, die junge, zarte Schmetterlinge mit ach so zarten Mädchenleibern auf Ihren Werbeplakaten herumfliegen lassen - alles künstlich gerendert, geshadet und gepixelt. Nix Echtes daran - und genau das ist der Punkt!

Wie spricht das Strafgesetzbuch in § 184b "Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften":
"Ebenso wird bestraft, wer es unternimmt, einem anderen den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben." (§ 184b, Abs II StGB)

Na, hört Ihr die Worte? Ein "...tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen". Was ist aber mit Darstellungen, die künstlich gerendert, geshadet und gepixelt sind? Tja, das möchte ich mal wissen.
Da liegt ein riesengroßer Markt für arbeitslose Werbegraphiker und Plakatmaler. Mutter Leyen hat's doch gesagt: "Millionen" werden da ausgegeben. Also nix wie ran an den Kuchen....

Einstweilen, bis mein genialer Vorschlag den Weg durch die Gremien des Bundestages und den Weg in die Gesetze gefunden hat, werden wir aber mit den Dummheiten der Politik leben müssen. Denn just gerade ist der fertiggestellte Entwurf für ein neues Gesetz veröffentlicht worden:
Bundeskabinett beschließt Entwurf für ein Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen
(http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/BMFSFJ/aktuelles,did=121848.html)

Was davon zu halten ist, kann man in diesem schönen Artikel aus der aktuellen c't nachlesen, der dankenswerter Weise auch vollständig im Internet zu lesen ist:
Verschleierungstaktik - Die Argumente für Kinderporno-Sperren laufen ins Leere
http://www.heise.de/ct/artikel/print/135867

Viel Spaß auch.

Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen

Na, jetzt geht die Internetzensur in die zweite Runde.
Die legen aber ein Tempo vor - puh!

"Die Bundesregierung hat am 22. April den Entwurf für ein Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen beschlossen. Es setzt damit die erst kürzlich beschlossenen Eckpunkte um. Die neuen Regelungen enthalten Änderungsvorschläge zum Telemediengesetz (TMG) und zum Telekommunikationsgesetz (TKG). Sie beschränken sich - wie in den Eckpunkten festgelegt - auf Zugangserschwerungen zu kinderpornografischen Inhalten.

...

Wesentliche Inhalte des geplanten Gesetzes sind:
  • Auf der Basis von Sperrlisten des Bundeskriminalamts werden alle großen privaten Internetzugangsanbieter verpflichtet, den Zugang zu kinderpornografischen Inhalten im Internet durch geeignete technische Maßnahmen zu erschweren;
  • Aus präventiven Gründen wird gegenüber den betroffenen Nutzern über eine sogenannte Stoppmeldung klargestellt, warum der Zugang zu einem kinderpornografischen Angebot erschwert wird
  • Die Zugangsanbieter haften nur, wenn und soweit sie die Sperrliste des Bundeskriminalamts nicht ordnungsgemäß umsetzen.
  • Die anfallenden Daten können für die Strafverfolgung genutzt werden."
Und wie immer: Der letzte Satz ist eigentlich der Wichtigste!