05 Oktober, 2006

Arbeitsteilung ist hässlich

Arbeitsteilung, so heißt es, hat erst die Höhe unserer Kultur geschaffen. Sie habe zur Optimierung der Arbeitsabläufe beigetragen und damit den Weg frei gemacht für Muße und Schönheit.
Vielleicht liegt darin der Grund, warum diese Zeit so hässlich und unkultiviert wirkt. Denn ich habe den Eindruck, dass ich immer mehr selber machen muss, sei es einkaufen, organisieren, putzen, verwalten, kochen, delegieren, lieben.
Aber vielleicht ist das ja auch ein Zeichen, dass es mit dieser Kultur langsam zu Ende geht.

Einfache Welt

Der Mensch ist in der Kultivierung seiner Beschränktheit ein Meister. Er verwendet sein ganzes Streben darauf, die Vielfalt der Welt immer einfacher zu machen, sowohl real durch die technische Entwicklung als auch virtuell durch Theorien.

Betrachtung aus Nähe und Distanz

Es ist schwierig für einen Schriftsteller, gleichzeitig Nähe und die innere Distanz zu finden zwischen den Dingen, die er beschreiben will.
Denn erst durch Nähe kann er sich den Dingen so fühlbar annähern, dass er ihren inneren Sinn spürt, so er die nötige Feinfühligkeit mitbringt. Aber sich den Dingen auszuliefern bedeutet auch, sich von ihnen fangen und innerlich ausrichten zu lassen. Der Blick bekommt einen 'Spin', der Verhältnisse verzerrt und Wahrheiten umwertet. Sie werden dadurch nicht wahrer oder falscher, aber sie verlieren ihre relative Größe.
Gerade aber der Rückzug des Schriftstellers in eine schützende Distanz erleichtert ihm, die Dinge und ihren Wert zur Welt auszumessen und zu sortieren.

Der Handel mit irrealen Gütern

In der postindustriellen Gesellschaft handeln wir mit Ideen und Gedanken, also mit irrealen Gütern. Wir handeln mit Dingen der Möglichkeit, nicht der Wirklichkeit. Außerhalb der wirklichen Welt, die ja auch natürlichen Beschränkungen unterliegt, in der Welt der Ideen, können wir beliebige Ressourcen erschließen in der Folge der Ausbeutung der realen Welt. Das ist ein großer Vorteil dieser irrealen Welt der Postmoderne.
Die Entwicklung ist aber nur eine Flucht nach vorn. Nicht, dass zu befürchten wäre, dass diese Ressourcen bald erschöpft wären - was nicht auzuschließen ist - aber gleichzeitig mit der Erschließung dieser Schätze wird auch die Frage nach deren Besitz und Vermarktung aufgeworfen.
Solange diese Regeln, die der klassischen Vermarktung und Besitzungen nicht neu definiert und geregelt werden, bleibt das Grundproblem der Verteilungsungerechtigkeit bestehen. Denn das Prinzip der Vermarktung nimmt keine Rücksicht auf die Art der Güter, die es sich einverleibt.

Evolution und Chaos

Angesichts der kulturellen Konflikte zwischen Abend- und Morgenland brauchen wir klare, analytische, bis auf den Grund des Denkens gehende Menschen, nicht Leichtgläubige.
Wenn der derzeit amtierende Papst in seinen Gastreden an deutschen Universitäten an die Tradition des Mittelalters in Geist und Handeln anschließt, kann man das nur damit erklären, das die Neuzeit der römischen Kirche schon immer Angst eingejagt hat.
Gott und einen Schöpfungsmyhos zu postulieren sollte einem systematisch denkenden Mann schon methodisch widerstreben. Die Aufklärung hat sich nicht die Mühe gemacht, den Menschen aus der Willkür eines göttlichen Willens zu entführen, damit gläubige Menschen ihn mit Hilfe eines unerklärlichen "Impulses" wieder dahin zurück stößt. .
Unzweifelhaft ist die Sicht der Evolution, wie sie vereinfacht von ihren Gegnern propagiert wird, zu eingeschränkt, um die Entwicklung der Welt schlüssig zu erklären. Viele Fragen, auch die des Ursprungs aller Dinge, wird nicht durch "trial and error" beantwortet. Begreift man den Lauf der Entwicklung aber erweitert, dann stellt sich die Frage nach einer "prima causa" nicht mehr. Denn nur solange wir den Entwicklungsprozess der Natur als eine lineare Bewegung auf ein Ziel gerichtet begreifen, brauchen wir einen Beginn, der außerhalb dieses Prozesses liegt. Und dies nicht nur, weil jeder Linearität ein Beginn inne wohnt, sondern weil das lineare System zugleich eine Dualität voraussetzt.
Die Beschränkung auf eine Linearität liegt aber nicht in der Welt begründet, sondern in der beschränkten Verarbeitungsleistung des menschlichen Geistes. Warum, wenn nicht um die unendliche Anzahl der Möglichkeiten des Seins zu begreifen, hat der Mensch da Mittel der Systematik entwickelt. Indem er aber gruppiert und strukturiert, reduziert er nur die sich ihm darbietende Wirklichkeit, bis sie in sein - notwendigerweise - beschränktes Gehirn paßt.
Kein vernünftiger Mensch wird ein Gänseblümchen mit einem Elefanten vergleichen. Und doch sind beides belebte Kreaturen, mithin über die Eigenschaft des Lebens verfügen. Sie und eine Unzahl anderer Kreaturen zeigen, dass die Natur sich nicht auf schlichte Dualität beschränkt und keinen Beweger braucht, der den Schaffensprozess anstößt.
Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und behaupte, dass Aussagen, wie sie etwa Steven Hawkings in der theoretischen Physik macht, zeigen, dass der Variantenreichtum der Welt noch um ein Vielfaches über das hinaus geht, was wir Menschen überhaupt zu verstehen in der Lage sind. Zielgerichtetheit wird da zu einem überflüssigen Eskapismus.
Das Chaos, das Gott schied, ist immernoch da und in der gleichnamigen Theorie in all seiner Schönheit zu betrachten. Geschieden ist allein das Wort vom Ding und damit die ordnende Hand von der Vielheit.