29 August, 2009

Religionsfrieden

Schon im letzten Beitrag habe ich auf Friedrich II von Preussen (1712 - 1786) und sein "politisches Testament" verwiesen. Dieser kluge Mann merkt dort zum staatlichen, das heißt politischen Umgang mit den Religionen Folgendes an:
"Diese drei Religionen (es wird von drei christlichen Ausformungen gesprochen) können in Frieden leben, gesetzt, dass man allen Streitigkeiten streng entgegentritt, die alten widersinningen Dispute offen lächerlich macht, scholastische wie absurde, und dass man alle, die die verschiedenen Kulte befolgen, mit absoluter Gleichheit behandelt."
(nach: Politisches Testament Friedrichs des Großen (1768), Böhlau-Verlag, 1981)

Er hatte Recht und nicht nur das: Als absolutisischer Herrscher, der nur sich selbst verpflichtet war, konnte er mit (leicht arroganter) Weitsichtigkeit den Dingen den ihnen gebührenden Platz zuweisen.

Religion ist wohl ein Hilfsmittel, um der Gemeinschaft eine Form zu geben, jedoch gänzlich ungeeignet, zwischen verschiedenen Gemeinschaften zu moderieren. Denn die unerquickliche Vermengung von inneren Werten und äußeren Normen läßt den wichtigen Unterschied der Beiden leider verschwimmen.

Also gilt es auch in der heutigen Zeit, in der wieder verschiedene Religionen den Anspruch erheben, über die Menschen Macht auszuüben.

Jeder Staat, der sich auch nur im entferntesten aufgeklärt bezeichnet (und dazu gehören alle Demokratien), muss den Maximen Freiderichs folgen.

28 August, 2009

Steuerdiskussion

Zu den anstehenden Bundestagswahlen haben alle Parteien natürlich wieder Steuersenkungen versprochen, die sie natürlich nicht umsetzen werden (können), wenn sie weiterhin ihre jeweiligen Wählergruppen entsprechend deren Treue finanziell bevorzugen wollen. Also wird die Gesamtbelastung aus Steuern und Sozialabgaben weiterhin bei über 53,3 Prozent des durchschnittlichen Einkommens liegen, wie der Bund der Steuerzahler eindrücklich nachrechnet.

Dazu habe ich ein Zitat gefunden von einem, der es eigentlich wissen muss: Friedrich II von Preussen (1712 - 1786). Als der aufgeklärte Herrscher hatte er alle Möglichkeiten, den Staat und (was neben der Ordnung die wichtigste Aufgabe ist) dessen Finanzierung zu regeln, wie es ihm während seiner 46-jährigen Regentschaft behagte. Da er aber - seinen Tugenden folgend - sehr nüchtern mit dieser Problematik umging, formuliert er in seinem "politischen Testament" 1768 folgende Worte:
"Hier zeigt sich noch eine große Frage: muß man in Bezug auf die Steuern das Wohl des Staates oder das Wohl des Einzelnen vorziehen, oder welche Partei soll man nehmen? Ich antworte: daß der Staat aus Einzelnen zusammengesetzt ist und es nur ein einziges Wohl gibt für den Souverän und seine Untertanen. Die Hirten scheren ihre Schafe, aber die ziehen ihnen nicht die Haut ab. Es ist gerecht, das jeder Einzelne dazu beiträgt, die Ausgaben des Staates tragen zu helfen, aber es ist gar nicht gerecht, daß er die Hälfte seines jährlichen Einkommens mit dem Souverän teilt."
(nach: Politisches Testament Friedrichs des Großen (1768), Böhlau-Verlag, 1981)

Nun, mit 53,3 % schrammen die heutigen "Souveräne" ja immer knapp um die Hälfte herum. Aber ist denn ein derart hoher Anteil an öffentlichen Belastungen nötig? Nein, ist er nicht, wenn... ja, wenn der Einzelne seine Rolle im Ganzen entsprechend versteht und definiert.

An dieser Stelle darüber zu sinieren, welche Aufgaben der Staat hat und wie er sie bewältigen soll, halte ich für den falschen Ansatz. Dieser Ansatz fixiert die Vorstellung, dass der Staat entweder, für die Einen, ein Dienstleister sei, um dem autonomen Individuum unangenehme und lästige Arbeiten abzunehmen, oder, für den anderen Teil der präformal denkenden Menschen, eine paternalistische Universalmacht, die aus ihrer reinen Existenz heraus den Auftrag zu Übernahme der Aufgaben ableite. Beide Überlegungen bewegen sich auf Augenhöhe mit Schnecken und anderem Gekriech, denn sie verkennen das Funktionsprinzip des Staates.
Der aufgeklärte Staat (und nur der sei hier zu verhandeln, denn sowohl Monarchien, Diktaturen oder andere gottes- und obrigkeitsfürchtige Gesellschaftskonstrukte sind historisch getestet und als untauglich verworfen) ist als ein Organismus anzusehen, der, wie jeder andere Organismus auch, nur funktionieren kann, wenn die einzelnen Teile ihre Aufgaben übernehmen und ausführen.

Jetzt mag einer kritisieren, dass meine Vorstellung des Staates als Organismus etwas esotherisch sei und einer Begründung ermangele. Mitnichten! Jede Organisationsform (man beachte die etymologische Verbindung von Organisation und Organismus), die aus sich heraus oder aus der Notwendigkeit der Umstände entsteht, entwickelt einen "Organismus". Und ein Staat entsteht nie aus dem logischen Willen einer Gruppe von Menschen sondern aus der Notwendigkeit, erst in der Gruppe (bei einer gewissen Komplexität) entstehende
Probleme zu verstehen und zu organisieren.

Der aufgeklärte Staat entsteht also durch das organische Zusammenwirken seiner Bürger. Jeder Bürger (und nur um den geht es an dieser Stelle) ist also gleichzeitig Individuum, gemäß seiner tierischen Natur, und Gesellschaftswesen im Rahmen seiner Teilhabe am staatlichen Organismus.

Wir müssen also den Staat immer von seinen Bürgern her denken, um zu verstehen, wieweit er auf sie Einfluss, etwa in Form von Steuern, nehmen darf.

Wie so ein Staat organisiert sein muss, will ich in späteren Kapiteln aufzuzeigen versuchen. Soviel sei aber an dieser Stelle schon gesagt: Mit Steuern allein kann kein Staat seine Aufgaben erfüllen, ganz gleich, wie hoch sie auch ausfallen mögen. Das zeigt ja schon die Ohnmacht der derzeitigen Herrscher.

13 August, 2009

Na also: Deutsche Wirtschaft wächst wieder - nach unten!!

Die Erfolgsmeldungen aus den Geheimarchiven der Statistiker reißen nicht ab. Und alle Medien beeilen sich, möglichst schnell und ungefiltert nachzubeten.

Die Deutsche Welle - eine seriöse, weltweit informierende Nachrichtenquelle - übermittelt uns die neuesten Meldungen aus der deutschen Erfolgsrepublik:
"Die schwerste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik ist zu Ende. Die deutsche Wirtschaft legte im zweiten Quartal überraschend um 0,3 Prozent zu - im Vergleich zum ersten Vierteljahr 2009."
http://www.dw-world.de/dw/article/0,,4561535,00.html

Jubel! Bravo! Dacapo!

Schnell also rübergewechselt auf die Seite des Statistischen Bundesamtes Deutschland.
Und tatsächlich. Deutsche Beamtenprosa erwärmt mir das Herz:
"Die deutsche Wirtschaft ist nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im zweiten Quartal 2009 erstmals seit dem ersten Quartal 2008 wieder leicht gewachsen. Um 0,3% war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) - preis-, saison- und kalenderbereinigt - im zweiten Vierteljahr 2009 höher als im Vorquartal."

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/2009/08/PD09__298__811.psml

Das sind doch schöne Nachrichten. Ich kann verstehen, dass jeder eifrige (und auch jeder nicht so eifrige) Journalist gierig nach solchen Meldungen greift. Aber waren wir nicht das vergangene Quartal in einer starken Rezession. Und heißt das nicht, dass die Wirtschaft sich in einer steilen Talfahrt befindet? Und ist damit ein - moderates - Wachstum (dessen Ursachen wir noch zu hinterfragen hätten) allenfalls eine Abflachung der Talfahrt?
Viele Fragen, die nach Antworten dürsten.

Aber was muss ich da lesen:
"Im Vergleich zum zweiten Quartal 2008 ging das preisbereinigte BIP um 7,1% zurück. Kalenderbereinigt war die Wirtschaftsleistung um 5,9% niedriger als vor einem Jahr, weil im Berichtsquartal drei Arbeitstage weniger zur Verfügung standen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres."
O weh! Schrumpfung, Rückgang, Rezession! Ich ahne schreckliches!
Ziehe ich also von 5,9% die 0,3% ab, errechne ich noch 5,6% Rückgang des BIP. Das klingt nicht so gut, das kann wohl nicht stimmen. Da rufe ich mir lieber das Hohe Lied der Deutschen Welle ins Gedächtnis:
"Die schwerste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik ist zu Ende."
Ahh, gut. Das ist schon besser.

Nur gut, dass diesem Quartal drei Arbeitstage der Untätigkeit fehlten. Nicht auszudenken, wenn es drei oder mehr Arbeitstage dazubekommen hätte. Die Ausmaße der Rezession wären noch viel größer ausgefallen. Jeder gearbeitete Tag hätte die Rezession angeheizt.
Da freut man sich doch auf seinen Urlaub!

Ich lese also entspannt weiter in der Pressemeldung des Statistischen Bundesamtes:

"Neben der Erstberechnung des zweiten Quartals wurden zu diesem Termin - wie jedes Jahr im August - auch die bisher veröffentlichten Ergebnisse der letzten vier Jahre (ab 2005) überarbeitet. Diese laufenden Revisionen werden routinemäßig durchgeführt, um neu verfügbare statistische Informationen in die Berechnungen einzubeziehen. Die Berechnung des BIP wird damit sukzessive auf eine statistisch immer besser fundierte Datenbasis gestellt.

Die aktuelle Neuberechnung ergab Veränderungsraten des jährlichen und vierteljährlichen BIP (Ursprungswerte), die um bis zu 0,3 Prozentpunkte von den bisher veröffentlichten Ergebnissen abweichen. Die Veränderungsraten der saison- und kalenderbereinigten Quartalsergebnisse wurden ebenfalls um bis zu 0,3 Prozentpunkte revidiert."
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/2009/08/PD09__298__811.psml

Nanu? Verstehe ich richtig?
Haben die Statistiker da gerade gesagt, dass sie die Berechnungen der letzten Quartale verändert haben? Schnell ein Blick auf die Tabellen und siehe da:

Das Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt, wurde im ersten Quartal um 0,3% ins positive korrigiert. Da war wohl noch Geld in einer Schublade aufgetaucht, das jetzt nachträglich eingerechnet werden kann. Schade eigentlich, denn sonst hätte die Deutsche Welle jubeln können, dass das BIP um 0,6% gestiegen sei.

Schade auch, dass das deutsche BIP immernoch 6,5% unter dem Vorjahresniveau liegt.
Aber davon werden wir uns doch die Feierstimmung nicht verderben lassen...Gell, Deutsche Welle?!?

11 August, 2009

Hurra! Die Krise macht uns reich! Oder doch nicht???

Da gibt es ein Amt in Deutschland, das soll uns allen - und vor allem den "Entscheidern" - helfen zu verstehen, in welcher verrückten Welt wir leben: Das Statistische Bundesamt Deutschland! Eine segensreiche Einrichtung ist das, wenn, ja wenn man nicht zu faul oder zu blöd wäre, den Zahlensalat zu verstehen, der dort produziert wird.

Aber zum Glück gibt es ja die Zunft der Journalisten, die uns diese Aufgabe abnimmt. Klug und bedachtsam sammeln sie anfallende Informationen und ordnen sie nach Sinn und Gewicht, dass uns das Verstehen nicht zu schwer falle.

Weil aber Journalisten viel zu tun haben mit dem Erklären der Welt, brauchen sie etwas Unterstützung dabei. Die wiederum gibt ihnen in diesem Falle das Statistische Bundesamt in Form einer Pressemitteilung. In selbiger unter der Nummer Nr.295 vom 11.08.2009 titelt also das besagte Amt:

Verbraucherpreise Juli 2009: - 0,5% zum Juli 2008

und schreibt anschließend:

"Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, ist der Verbraucherpreisindex für Deutschland im Juli 2009 gegenüber Juli 2008 um 0,5 % gesunken. Eine so niedrige Inflationsrate wurde in der Bundesrepublik seit der Wiedervereinigung noch nicht berechnet, im früheren Bundesgebiet zuletzt im Frühjahr 1987."

Das ist doch mal eine gute Nachricht, denkt sich der verkäuferisch geschulte Journalist und spart es sich weiter zu lesen - und zu denken! Dabei - und das weiß eigentlich jeder Journalist, sind Pressemitteilungen eben genau dazu gedacht: Dem Journalisten das Denken abzunehmen.

Flux wird aus den Zeilen ein Aufmacher gestrickt, der sich dann so liest wie nachstehend zitierte Zeilen bei SPIEGEL online:

"Verbraucherpreise sinken erstmals seit 22 Jahren

Deutschland erlebt den ersten Preisrückgang seit 1987: Die Verbraucherpreise sind im Juli bundesweit um 0,5 Prozent gefallen - besonders Heizöl und Kraftstoffe haben sich im Vergleich zum Vorjahr stark verbilligt. Immerhin ist das Minus etwas geringer als erste Schätzungen vermuten ließen.[...]"
(http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,641654,00.html)

Klingt gut - ist auch soweit nicht gelogen, denn das steht in etwa in der Pressemitteilung drin. Ist aber trotzdem falsch.

Hätte der eifrige (oder doch faule) Journalist nämlich weitergelesen, so hätte er auf folgender Seite des Bundesamtes "Preise" folgenden Satz gelesen:
"Lesen Sie im aktuellen STATmagazin-Beitrag, auf welche Faktoren die niedrigen Inflationsraten zurückzuführen sind. "

Wäre er diesem Satz nachgegangen, hätte er dort sehr erhellende und einfache Erklärungen bekommen, warum der Aufmacher "Verbraucherpreise sinken erstmals seit 22 Jahren" himmelschreiender Quatsch sind.

Das liest sich dann in etwa so:
"Preise ohne Energie stabil
...
Ein Blick auf die aktuellen Zahlen zeigt, dass gegenwärtig keine Preissenkungen auf breiter Front stattfinden. Zwar erreichte die Inflationsrate mit null Prozent den niedrigsten Stand seit 22 Jahren, sie ist derzeit aber im Wesentlichen wegen der stark gesunkenen Energiepreise niedrig. Bei der Betrachtung der Verbraucherpreisentwicklung ohne Energie zeigt sich im Durchschnitt eine relativ stabile Preisentwicklung mit moderaten Steigerungsraten. Seit Januar 2008 lag die jährliche Veränderung der Verbraucherpreise ohne Energie zwischen 2,3 und 1,1%, wobei tendenziell ein leichter Abwärtstrend zu beobachten ist.

Zudem sind die negativen Veränderungsraten im Bereich der Energiepreise möglicherweise nicht anhaltend, sondern nur temporär. Die Teuerungsraten werden durch den Vergleich des aktuellen Preisniveaus mit dem Vorjahresniveau errechnet. Derzeit liegt das Energiepreisniveau deutlich niedriger als während des Energiepreisbooms vor einem Jahr. Der Vorjahresvergleich führt daher zu negativen Veränderungsraten. "

Was soll das also heißen? Ganzu einfach: Weil im vergangenen Jahr genau um diese Zeit eine riesige Spekulationsblase den Rohölpreis auf über 140 Dollar pro Barrel pushte, haben wir im Vergleich dazu dieses Jahr natürlich einen extrem sinkenden Wert - ich betone: im Vergleich zum Vorjahr!!

Weiter schreibt das Statistische Bundesamt:
"Unter der Voraussetzung, dass die Energiepreise nicht zurückgehen, ist wegen des Endes des Ölpreisbooms im Herbst 2008 spätestens ab Ende 2009 nicht mehr mit negativen Veränderungsraten bei den Energiepreisen zu rechnen. In diesem Fall bildet sich der stark dämpfende Einfluss der Energiepreise auf die Inflationsrate in den nächsten Monaten nach und nach zurück. Somit zeigt die aktuelle Datenlage keinen Trend, der auf einen anhaltenden Preisverfall bei den Energieträgern hindeutet."

Und jetzt nochmal für alle Journalisten, Faulen und Doofen: Der statistische Energiepreis fällt im Vergleich massiv zum Vorjahr, damit fällt der allgemeine Verbraucherindex und schwupp: Die Krise macht uns reich! Trotzdem haben wir jeden Monat weniger Geld im Portemonaie als vorigen Monat.

Fazit
Wenn Statistiken schon die Realität verfälschen, sollten Journalisten das nicht auch noch unterstützen.